Willkommenskultur am ersten Arbeitstag

Der erste Arbeitstag ist für viele Menschen mit Unsicherheit und Aufregung verbunden. Ich erinnere mich ungern an einen meiner ersten Arbeitstage, an dem ich am Tagesende genauso nervös war wie zu Beginn. Meine Einführung wurde auf das Nötigste beschränkt und die folgenden Konflikte wurden hier angelegt.

Das muss doch auch anders gehen, dachte ich mir - und fragte drei unterschiedliche Unternehmen, wie sie heute ihre neuen Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen willkommen heißen! Die Interviews haben mich beglückt - es geht nämlich viel anders und viel besser! Sie sind mit ihrem Engagement Vorbilder: wie sie ein gutes Ankommen und Eingliedern ermöglichen, was gelingt und was noch nicht, hörst und liest du in folgenden Beiträgen.

Wie werden neue Mitarbeiterinnen und Kolleg*innen an ihrem ersten Arbeitstag empfangen? Was wird vom Team und den Führungskräften vorbereitet? 3 Führungsfrauen erzählen aus ihrer Praxis, wie sie sich für einen optimalen Einstieg der neuen Person engagieren und welche Tools sie dafür anwenden.

Veronika spricht mit der Geschäftsführung von culumNATURA über ihre Art, neue Kolleg*innen an ihrem ersten Arbeitstag willkommen zu heißen. Und was sie noch weiter entwickeln wollen…Eine Ermutigung und Inspiration für eine herzliche Willkommenskultur im Unternehmen!


“Ich will, dass du spürst, dass du an der für dich gerade besten Stelle eingesetzt bist! Weil nur dann entsteht etwas wirklich Gutes für alle Beteiligten! “ Helene Sageder

Helene Sageder

Seit Herbst 2014 trägt Helene Sageder die Personalverantwortung für knapp 600 Menschen im Gartencenter bellaflora, gemeinsam mit 5 Kolleg*innen in ihrer HR Abteilung.

Wenn eine neue Mitarbeiter*in ihren/seinen ersten Arbeitstag hat – wie wird sie empfangen und in ihren neuen Arbeitsbereich eingeführt? Helene erzählt:

Wir in der HR-Abteilung sehen uns als Tor nach innen und nach außen und auch als Begleiterinnen durch den Ankommensprozess. Je nachdem, wer von uns die Rekrutinggespräche geführt hat, diese Kolleg*in ist auch die durchgängige Ansprechperson für die neue Person und begleitet diese jedenfalls bis zum Willkommen und Onboarding – bis zur Übergabe an die jeweilige Führungskraft und im Fall auch darüber hinaus.

Zwischen Zusagegespräch und Start halten wir bereits Kontakt, um die neue Kollegin schon etwas vertraut zu machen mit dem, was gerade aktuell läuft in der Firma – das sind Informationen, welche Unternehmens- oder Teamkultur spürbar machen und Verbindung und Vertrauen wachsen lassen können. Je nach dem, was im Jahreskreis ansteht, zB eine Einladung zu einem internen Event, wo auch die neuen Kolleg*innen dabei sind. Oder wenn weniger erfreuliche Dinge intern auftauchen, wenn sie in irgendeiner Weise relevant sind für die neue Person, dann wird das ebenso mitgeteilt. Das kommt selten vor, sehe ich im Fall aber wichtig, um das Vertrauen zu stärken. Das passiert eher intuitiv.

Jedenfalls wird der/die neue Kolleg*in per E-Mail vorab im Unternehmen angekündigt und um eine gute Aufnahme der neuen Person gebeten. Außerdem sind die Arbeitsmittel vorbereitet und auch der Arbeitsplatz. Wesentliche Termine im Onboarding sind bereits organisiert.

Die jeweilige Kollegin aus der HR nimmt die neue Person in Empfang, begleitet sie auf ihren/seinen Arbeitsplatz, auf dem ein paar nette Kleinigkeiten wie Kärtchen, Kaffeekapsel und manchmal auch Blumen warten. Es warten auch eine Willkommensmappe und ein Einschulungsplan für die erste Übersicht. Dann wird die/der Neue den Kolleg*innen im näheren Arbeitsumfeld vorgestellt und alles rundum, was man für die wichtigsten Grundbedürfnisse so wissen soll. Die Übergabe an die Führungskraft erfolgt hier.

Wenn es sich bei der neuen Kolleg*in um eine Führungskraft handelt, dann bereite ich mit dem aufnehmenden Team einen eher informellen Kennenlerntermin vor, der in etwa 2 bis 3 Stunden dauert, je nach Teamgröße. Wir organisieren dafür ein einfaches Frühstück, um das Willkommen und das erste Kennenlernen gemütlich zu gestalten. Ich begleite oftmals diesen Termin.

In dieser Art und Weise begrüßen wir auch neue Filialleiter*innen österreichweit. Die Begleitung übernehmen in diesem Fall die zuständigen Regionalleitungen sowie das Team vor Ort.

Für das Kennenlernen am ersten Arbeitstag im Team habe ich seit einigen Jahren eine stärkenorientierte Struktur zusammengestellt, die sich sehr bewährt hat aus meiner Sicht und auch in abgewandelter Form in unterschiedlicher Weise in Form von Fragen eingesetzt wird:

Wer bin ich – persönlich und beruflich?
Womit beschäftige ich mich inhaltlich gerade?
Mit welchen Gedanken bin ich hierhergekommen?

Worauf kannst du/Sie vertrauen, dass dich hier Wertvolles erwarten wird? Was brauche ich/ das Team, damit wir gemeinsam gut durchstarten können?

Jede Person – bestehende und neue – erzählt so viel, wie sie mag. Wenn jeder in dieser Art von sich erzählt, wird so viel Wertvolles sichtbar – jede Person wird spürbar. Jede Person wird mit ihren Befürchtungen gehört und auch mit dem, was sie braucht. Durch diesen stärkenorientierten Zugang geht die Spirale gleich aufwärts, das geht gar nicht anders.

Dann gibt die Führungskraft einen Ausblick in die nähere Zukunft. Handelt es sich um eine neue Führungskraft, kann sie hier auch gleich ihre Antrittsrede verpacken, wie sie die erste Zeit gestalten will. Somit wird auch für das bestehende Team die neue Führungskraft gut spürbar und die Einstiegsphase gleich transparent und einschätzbar.

In meinem eigenen HR-Team erweitere ich diesen Termin und wir geben gemeinsam einen groben Überblick über unsere aktuellen Projekte und Themen, die uns als Abteilung beschäftigen. Jede Kolleg*in stellt ihre Kernthemen vor und auch das, was in näherer Zukunft ansteht. Gleichzeitig werden die Themen der neuen Kolleg*in im Überblick besprochen. Das schafft eine gute Orientierung. An dieser Stelle kann die neue Person auch gerne einbringen, wenn sie an weiteren Themen besonders interessiert ist.

Manchmal verwende ich zusätzlich an dieser Stelle auch als Ergänzung die Zürcher Ressourcenkarten. Jedes Teammitglied sucht sich nach eigener Einschätzung Karten aus, anhand denen er sich und das Team vorstellt. Dabei verwende ich Leitfragen wie:

Wo stehe ich gerade beruflich und persönlich?
Wie würde ich die aktuelle Situation der Abteilung beschreiben?
Was wünsche ich mir für unsere Zusammenarbeit?
Was haben wir im nächsten halben Jahr erreicht?

Die bunten Karten werden als Antworthilfe gewählt. Damit mag ich etwas Variation hineinbringen in die Startphase. Ich finde den Zugang über die Ressourcenkarten sehr wertvoll, weil sie Beschriebenes gleich lebendiger machen und oft facettenreicher, als nur die Sprache als Ausdrucksmöglichkeit zu haben. Diese Mischung aus emotionalen und inhaltlich/fachlichen Beiträgen wird als sehr stärkend und verbindend erlebt.

Welche Vorbereitungen werden getroffen?

Wenn eine Neuaufnahme geplant ist, rege ich an zum Durchputzen der Abteilung. Die Durchführung obliegt der jeweiligen Führungskraft. Ich setze mich an dieser Stelle auch ein, dass mögliche Probleme, die in einem Bereich vorhanden sind, VORHER gelöst oder eine Klärung in die Bahnen gelenkt werden. Die neue Person soll nicht die Altlasten ausbaden müssen!

Wenn ich in meinem Team eine Stelle ausschreibe, wird jedenfalls innerbetrieblich neu strukturiert. Digitale Ordner und reale Kästen werden ausgemustert, wir machen sozusagen einen „Komposttag“ mit den Fragen: Was wird weiterverarbeitet, was braucht jemand anderer? Was wollen wir bereinigen?

Die Ziele und Aufträge für die nächste Zeit werden neu geordnet. Wer mag sich ein Thema nehmen und sich neu mit etwas beschäftigen? Diese Fragen stell ich ans bisherige Team. Damit ist dann oft auch ein Aufgabenwechsel verbunden. Diesen Prozess empfinde ich als sehr wertvoll, weil zugleich auch immer wieder neue Chancen für das Team entstehen, die ergriffen werden können oder nicht. So ist die Entwicklungsperspektive gleich mit eingebaut.

Auch die Stelleninserate entstehen gemeinsam im Team! Wir kennen unsere Kernaufgaben in der Abteilung. Entlang dieser wird dann geschoben und gefeilt, Vorstellungen abgeglichen und Vereinbarungen getroffen. Volle Ko-Kreation. Das verbindet und stärkt unsere Tragfähigkeit!

Wenn ich für mein eigenes HR-Team Verstärkung suche, passiert auch das erste Zusammentreffen mit einer möglichen neuen Person schon während des Rekrutingprozesses, in der letzten Gesprächsrunde, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Sowohl die mögliche neue Person als auch das Team sollen ein Gespür füreinander entwickeln, bevor man sich beiderseits entscheidet. Dieses Teamgespräch passiert eher als Dialog, wo man sich im Kreis kennenlernt. Ich praktiziere das schon ein paar Jahre lang und es hat sich sehr gut bewährt. Diese Form ist mir persönlich sehr wichtig, weil es authentisch ist zu dem, wie ich Führung lebe. Diese Form des Teamrekrutings wollen wir demnächst auch verstärkt ausbauen im gesamten Unternehmen, es erhöht einfach die Tragfähigkeit der Entscheidung auf allen Seiten.

So manche Vorgehensweisen leben wir bisher nur in meinem Team, wir sehen uns oftmals auch als Team fürs Prototyping. Bewährtes rollen wir dann aus, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Ich nehme mir das jetzt gleich vor – angeregt durch dieses Interview – in diesem Bereich wieder etwas zu institutionalisieren und nachzuschärfen. Damit wir im gesamten Unternehmen diese tragfähige und freudvolle, Sicherheit gebende Willkommenskultur aber auch diese Entwicklungs- und Beteiligungskultur ein Stück weiter voranbringen können!


Eva-Maria Pürmayer ist Gastgeberin mit Herzblut - in “ihrem” Bergergut, dem kleinen feinen Paarhotel im Mühlviertel. Wie gelingt es ihr, ihre Mitarbeiter*innen ab dem ersten Arbeitstag zu begeistern und richtig gut willkommen zu heißen? Was geht noch besser?

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